Mittwoch, 16. Dezember 2015

Kinotipp zu Weihnachten: "Das Brandneue Testament"

 
Vielen, die sich mit Religion und der Welt beschäftigt haben ist sicher schon mal der Gedanke gekommen, dass wenn es Gott tatsächlich geben sollte, er doch ein rechtes Scheusal sein müsste. Genau von diesem Sachverhalt geht der französisch-belgische Spielfilm "Das Brandneue Testament" aus. "Gott existiert, er lebt in Brüssel." Das sind die ersten Worte der 10 jährigen Tochter Gottes, die in der Bibel, bislang bekannte Version, nicht vorkommt, in dem Film aber die Hauptrolle spielt. Sie wird von dem zynischen, übelgelaunten Allmächtigen tyrannisiert und auch mit dem Gürtel gezüchtigt. Seine Ehefrau, die "Göttin" behandelt dieser ebenfalls schlecht, sie ist so eingeschüchtert, dass sie sich lediglich mit Stickarbeiten die Zeit vertreibt. Er jedoch, nachdem er Adam und Eva geschaffen hatte zu seinem zynischen Vergnügen, zieht sich in Bademantel und Schlappen mit einigen angebrochenen Fläschchen Alkoholika in sein Arbeitszimmer zurück, wo er Gebote entwirft, die den Menschen das Leben schwer machen und ihm selbst dürftiges Vergnügen verschaffen. So kommt es, dass Marmeladebrote immer auf die bestrichene Seite fallen und vieles mehr.
 
Der Tochter, Ea, wird es allerdings zu bunt. Von "JC", ihrem berühmten Bruder, der schon früher das Weite gesucht hatte, erhält sie einen Tipp, wie sie die Wohnung durch eine gehackte Waschmaschine verlassen kann (ein etwas abgewandeltes Zitat aus "Beeing John Malkovich"). Zuvor jedoch veröffentlicht  sie mit Hilfe des väterlichen PCs die Sterbedaten der Menschen. Mensch geworden sucht sie sich 6 Apostel, die es mit ihrer Hilfe schaffen, ihr Leben zu Verändern - auch unter den veränderten Bedingungen der bekannten Restlebenszeit.
 

So verändert sich flugs die Welt - und das amüsiert den Zuschauer sehr. Gut, hier wird der Film etwas blumig,  aber immer kurz vor dem Kitsch nimmt er quietschend die Kurve. Zu kraftvoll sind die Alternativen, die erkennbar werden: was wäre, wenn der Allmächtige wohlwollend wäre? Einige praktische Probleme der Religionen werden kundig und spielerisch behandelt. Ein Beispiel: Jeder, der einen Theologen einmal über etwas Unverständliches, Unlogisches oder Widersprüchliches in der Bibel befragt hat, kennt u.A. die Antwort, das sei ein Problem der sprachlichen Überlieferung wahlweise vom Hebräischen ins Griechische oder vom Griechischen ins Lateinische oder der Abschriften und sei ganz anders gemeint und zu verstehen. Im Film ist der Protokollant der 6 neuen Evangelisten ein legasthenischer Obdachloser, der erstbeste, dem Ea begegnet. Er schreibt mit so gut er kann und in dem später tatsächlich erscheinenden Brandneuen Testament sind dann nur heitere Symbole gedruckt.
 
Die Probleme, die Gott selbst auf der von ihm geschaffenen Welt hat, als er Ea wieder einfangen will, sind höchst ergötzlich und die verrate ich Euch mal nicht.
 
Ein schöner kleiner Film zu Weihnachten, der Plot ist nicht wesentlich absurder als die ganzen Geschichten der Mutter Gottes mit den zwei Männern, deren einer als Ernährer taugt, während der andere der Allmächtige ist, keiner jedoch mit ihr schläft sondern ein Mitarbeiter des Zweiteren ihr ihre Schwangerschaft mitteilt. Genauso gut könnte Gott in Brüssel leben, meine ich. Die belgische Jungschauspierin Pili Groyne spielt die Rolle der Tochter Gottes überzeugend unaufgeregt - sie ist keineswegs perfekt, kann vieles nicht, auch wenn sie das übers Wasser Gehen beherrscht wie ihr Bruder. Benoît Poelvoorde gibt den Allmächtigen mit deutlicher Reminiszenz an den Dude Lebowski, warum auch nicht - der war ja auch göttlich. 

 
Ich empfehle Euch, sich den Film zu gönnen, durchaus auch als Anhänger einer der monotheistischen Religionen. Der Film sagt: Religion könnte auch anders aussehen. Und in erster Linie unterhält er und entlässt euch lachend aus dem Kino.

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