Montag, 4. Januar 2016

Lesetipp Januar - Adelle Waldman: Das Liebesleben des Nathaniel P.


Zwei Möglichkeiten des Befremdens hat mir dieser Roman, (Liebesroman?) zur Verfügung gestellt, nachdem ich ihn meist vergnügt durchgelesen hatte. Erste Möglichkeit ich bin echt alt geworden, dass sich das Zusammenkommen mit, das Aufreissen oder gar Klarmachen von oder einfach das  befreundet Sein mit gleichaltrigen Mädels als junger Mann so sehr verändert hat. Zweite Möglichkeit: alles, was der Begriff "dating" für junge Amerikaner so umfasst unterscheidet sich doch fundamental von den oben genannten Möglichkeiten des Umgangs mit Frauen, die der Westeuropäer kennt.

 
Doch von vorne. Adelle Waldmans Roman "Das Liebesleben des Nathaniel P." ist in USA 2014 erschienen und wurde bejubelt: bestes Buch des Jahres u.a. bei The New Yorker, NPR, Slate, The Economist, The New Republic, Bookforum, Baltimore City Paper, The Daily Beast, National Journal, San Francisco Chronicle, Chicago Reader, Cosmopolitan, Elle, Buzzfeed und anderen. 2015 erschien es auf Deutsch und Adelle war auch auf Lesereise, was verpasst zu haben mir nun richtig stinkt.

 
Worum geht es? Der Titel sagt's, um nicht mehr und nicht weniger als die Abfolge von einigen Freundinnen, die Nathaniel innerhalb kurzer Zeit "datet" und wie es ihm dabei so geht. Nathaniel P. hat wohl Verschiedenes mit seiner Autorin gemeinsam: er ist Bestandteil des New Yorker Literatur- und Journalismus-Betriebes, als freier Autor immer schaukelnd auf einer kurzen Wippe mit dem einen Ende "prekäres Freier-Mitarbeiter-Dasein" und dem anderen Ende: als Erfolgsautor gefeiert und auf Parties umworben werden. N. neigt zur erzählten Zeit dem Zweiteren deutlich zu. Für ihn ist das unsichere seiner Existenz ganz selbstverständlich, er mag seine kleine Wohnung, er empfindet sich als Aufsteiger gegenüber seinen Eltern, jüdische Einwanderer aus Osteuropa.
 
Weit weniger behaglich fühlt er sich in seiner Haut als Mann. Eine Ex-Freundin setzt ihm zu, weil er nicht genug mit ihr getrauert hatte, als sie ein von ihm versehentlich  gezeugtes Kind ("geplatztes Kondom", echt jetzt, Frau Waldmann?)abgetrieben hatte. Das versteht er kaum, hat er nicht die Behandlung von seinem knappen Geld bezahlt und ist er nicht im Wartezimmer gesessen? Irgendwann ist ja dann mal gut. Versteht man als männlicher Leser und man kennt die Botschaft, die man mit den Jahren gelernt hat: für Frauen ist sowas anders.
 
Aktuell kommt er dann mit Hannah zusammen, die er sich sehr gut von außen betrachtet und abwägt und überlegt und sich nicht entscheidet  --- und wieder erlebt er am Ende einer seiner Ansicht nach o.k.nen, aber dann auch zu beendenden Beziehung den Vorwurf der Gefühlsarmut. Ist aber kein Problem, denn frei nach Olli Dietrich ist ja an der nächsten Lampe schon die nächste... frei.

Seine, Nates Gefühlswelt schildert Adelle Waldman sehr detailliert, das ist manchmal höchst vergnüglich. Die Parties und Treffen (jaja, dates) sind wunderbar kurzweilige Lesestückchen. Dennoch, und daher wohl auch der große Erfolg beim Boulevard, die weibliche Ironie bis Bitterkeit angesichts tollpatschiger männlicher Grobheit spitzt immer wieder durch.
 
Sprachlich ist der Roman leider nicht so super ausgefeilt, was aber auch an der zügig vorgelegten Übersetzung liegen mag. Besonders stört mich als literarisch Altmodischen (Schule Reich-Ranicki und so) ein Aspekt: Waldman erklärt. Und Erklärung ist der Spannung Tod. Das ist auch nicht einem eventuellen amerikanischen Romanverständnis zuzurechnen, im Gegenteil. Wer wieder einmal in einen Updike oder Irving hineinschaut und die fantastischen Situationsschilderungen geniest, z.B. bei "Couples" (John Updike 1968), kann aufgrund der Detailfülle und Ausführlichkeit der Schilderungen nach-fühlen und danach verstehen, was die Romanfiguren, hier allesamt Beziehungsmenschen antreibt. Das kostet natürlich Zeit und Zeilen. Waldman lässt nicht nachfühlen, sie erklärt gleich, wie es kommt, das Nathaniel so und so empfindet. Es kann sein - ich wäre trotzdem nicht dafür zu begeistern - dass das Absicht ist und dieser mittelbare Stil dem mittelbaren, nicht wirklich nahen Umgang des Helden mit den Frauen entspricht. 

Davon abgesehen amüsiert der Roman ganz herrlich, auch wenn wie gesagt die Welt des "dating" für unsereins immer ein bisschen fremd bleibt. Dass Nathaniels Verhaltensmuster die Zukunft der Zweierbeziehung andeutet wünsche ich mir nicht- möglich ist es aber. Und alles, was möglich ist, kommt ja auch. Oder?

 

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