Zwei Möglichkeiten des Befremdens hat
mir dieser Roman, (Liebesroman?) zur Verfügung gestellt, nachdem ich ihn meist
vergnügt durchgelesen hatte. Erste Möglichkeit ich bin echt alt geworden, dass
sich das Zusammenkommen mit, das Aufreissen oder gar Klarmachen von oder
einfach das befreundet Sein mit
gleichaltrigen Mädels als junger Mann so sehr verändert hat. Zweite
Möglichkeit: alles, was der Begriff "dating" für junge Amerikaner so
umfasst unterscheidet sich doch fundamental von den oben genannten
Möglichkeiten des Umgangs mit Frauen, die der Westeuropäer kennt.
Doch von vorne. Adelle Waldmans
Roman "Das Liebesleben des Nathaniel P." ist in USA 2014 erschienen
und wurde bejubelt: bestes Buch des Jahres u.a. bei The New Yorker, NPR, Slate,
The Economist, The New Republic, Bookforum, Baltimore City Paper, The Daily
Beast, National Journal, San Francisco Chronicle, Chicago Reader, Cosmopolitan,
Elle, Buzzfeed und anderen. 2015 erschien es auf Deutsch und Adelle war auch
auf Lesereise, was verpasst zu haben mir nun richtig stinkt.
Worum geht es? Der Titel sagt's, um
nicht mehr und nicht weniger als die Abfolge von einigen Freundinnen, die
Nathaniel innerhalb kurzer Zeit "datet" und wie es ihm dabei so geht.
Nathaniel P. hat wohl Verschiedenes mit seiner Autorin gemeinsam: er ist
Bestandteil des New Yorker Literatur- und Journalismus-Betriebes, als freier
Autor immer schaukelnd auf einer kurzen Wippe mit dem einen Ende "prekäres
Freier-Mitarbeiter-Dasein" und dem anderen Ende: als Erfolgsautor gefeiert
und auf Parties umworben werden. N. neigt zur erzählten Zeit dem Zweiteren deutlich
zu. Für ihn ist das unsichere seiner Existenz ganz selbstverständlich, er mag
seine kleine Wohnung, er empfindet sich als Aufsteiger gegenüber seinen Eltern,
jüdische Einwanderer aus Osteuropa.
Weit weniger behaglich fühlt er sich
in seiner Haut als Mann. Eine Ex-Freundin setzt ihm zu, weil er nicht genug mit
ihr getrauert hatte, als sie ein von ihm versehentlich gezeugtes Kind ("geplatztes Kondom",
echt jetzt, Frau Waldmann?)abgetrieben hatte. Das versteht er kaum, hat er
nicht die Behandlung von seinem knappen Geld bezahlt und ist er nicht im
Wartezimmer gesessen? Irgendwann ist ja dann mal gut. Versteht man als
männlicher Leser und man kennt die Botschaft, die man mit den Jahren gelernt
hat: für Frauen ist sowas anders.
Aktuell kommt er dann mit Hannah
zusammen, die er sich sehr gut von außen betrachtet und abwägt und überlegt und
sich nicht entscheidet --- und wieder
erlebt er am Ende einer seiner Ansicht nach o.k.nen, aber dann auch zu
beendenden Beziehung den Vorwurf der Gefühlsarmut. Ist aber kein Problem, denn
frei nach Olli Dietrich ist ja an der nächsten Lampe schon die nächste... frei.
Seine, Nates Gefühlswelt schildert Adelle
Waldman sehr detailliert, das ist manchmal höchst vergnüglich. Die Parties und
Treffen (jaja, dates) sind wunderbar kurzweilige Lesestückchen. Dennoch, und
daher wohl auch der große Erfolg beim Boulevard, die weibliche Ironie bis
Bitterkeit angesichts tollpatschiger männlicher Grobheit spitzt immer wieder
durch.
Sprachlich ist der Roman leider nicht
so super ausgefeilt, was aber auch an der zügig vorgelegten Übersetzung liegen
mag. Besonders stört mich als literarisch Altmodischen (Schule Reich-Ranicki
und so) ein Aspekt: Waldman erklärt. Und Erklärung ist der Spannung Tod. Das
ist auch nicht einem eventuellen amerikanischen Romanverständnis zuzurechnen,
im Gegenteil. Wer wieder einmal in einen Updike oder Irving hineinschaut und
die fantastischen Situationsschilderungen geniest, z.B. bei "Couples"
(John Updike 1968), kann aufgrund der Detailfülle und Ausführlichkeit der Schilderungen
nach-fühlen und danach verstehen, was die Romanfiguren, hier allesamt
Beziehungsmenschen antreibt. Das kostet natürlich Zeit und Zeilen. Waldman
lässt nicht nachfühlen, sie erklärt gleich, wie es kommt, das Nathaniel so und so
empfindet. Es kann sein - ich wäre trotzdem nicht dafür zu begeistern - dass das
Absicht ist und dieser mittelbare Stil dem mittelbaren, nicht wirklich nahen
Umgang des Helden mit den Frauen entspricht.
Davon abgesehen amüsiert der Roman
ganz herrlich, auch wenn wie gesagt die Welt des "dating" für unsereins
immer ein bisschen fremd bleibt. Dass Nathaniels Verhaltensmuster die Zukunft
der Zweierbeziehung andeutet wünsche ich mir nicht- möglich ist es aber. Und
alles, was möglich ist, kommt ja auch. Oder?
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